Spiker's Berlin

Die Stechbahn

Mit diesem Namen ist die Häuserreihe bezeichnet, welche zwischen der Schlossfreiheit und der Brüderstrasse liegt, und deren Rückseite von einem Arm der Spree bespült wird. In früheren Zeiten lag zwischen der breiten Strasse und der langen Brücke ein mit Schranken eingeschlossener 300 Fuss langer und 65 Fuss breiter Tournierplatz, welchen Kurfürst Joachim II. im Jahre 1537 einrichten liess, um auf demselben, bei Gelegenheit der Geburt seiner ältesten Tochter, der Prinzessin Elisabeth Magdalena, ein Ritterspiel zu geben. Der Kurfürst Joachim Friedrich liess diese alte Stechbahn im Jahre 1600 restauriren, und mit 31 Figuren, von Caspar Zimmermann angefertigt, ausschmücken. Nach und nach entstand an der innern Seite der Stechbahn eine Reihe Buden. Der Kurfürst Friedrich Wilhelm liess die Stechbahn abbrechen und dafür das Reithaus auf dem Werder zu Tournieren und Kampfspielen einrichten, die Buden aber wurden auf seinen Befehl von Memhardt in steinerne Kaufläden verwandelt, vor denen sich eine dorische Bogenlaube hinzog. Beim weiteren Ausbau des Schlosses wurden diese Kaufläden, welche immer noch unter dem Namen Stechbahn bestanden hatten, um eine freiere Aussicht zu gewinnen, abgerissen, und auf den Platz versetzt, wo die heutige Stechbahn steht. Die Häuser, welche sie bilden, wurden im Jahre 1702 nach einem Plan von Bodt aufgeführt; sie bilden, wie auch aus dem gedrängten Bilde hervorgeht, dem Anschein nach, nur ein grosses mit jonischen Wandpfeilern verziertes Haus. In der Mitte bemerkt man einen Balkon. Er gehört zu dem Lokale des Volpischen (ehemals Martinetschen) Kaffeehauses. Die Aussicht von demselben über den Schlossplatz und den in seiner Mitte stehenden Gas-Kandelaber, auf die lange Brücke, in die belebte Königs-Strasse und auf die freundliche, längs dem Wasser hinziehende Häuserreihe der Burgstrasse, ist vortrefflich. Die offene Bogenlaube ist 200 Fuss lang; man findet unter derselben die Buchhandlung des Herrn Mittler und die Musikalienhandlung des Herrn Lischke. Die feine Welt wählt unter den Putz-, Mode-, Kunst- und Industrie-Waaren des Herrn Quittel,– der Gastronom schlürft mit grossem Wohlbehagen die Original-Chocolade in dem weitbekannten Etablissement der Herren Josty & Comp.– Der Geschäftsmann sucht die Wechselladen der Herren Jaquier und Securius auf,– die Hoffnung führt Hunderte in Herrn Matzdorff’s vielbenutztes Lotterie Comtoir,– der Militair findet die Gegenstände seiner Bekleidung in dem Waarenlager des Herrn Bock, – der Maler, der Zeichner, der Kupferstecher, der Architect, der Vergolder und der Lackirer kann sich mit allem benöthigten Material bei Herrn Bormann versehen. Mit Vergnügen verweilt man bei den geschmackvollen Gold- und Silberwaaren des Herrn Möllinger, oder in dem Lager der weissen Mahagony- und niedlich xilographirten Holzarbeiten des geschickten Tischlermeisters Herrn Schneevogel, und im letzten Gewölbe, in dem der Madame Fournier, scheint Pomona ihre reichsten Lieferungen, die schönsten und theuersten Früchte, in malerischen Gruppen niedergelegt zu haben. Der Stechbahn zur Rechten erblickt man das Haus des Kaufmanns Herrn Schauss; es bildet die Ecke des Schlossplatzes und der Brüderstrasse. In demselben befindet sich die Buch- und Kunsthandlung von George Gropius, mit einem reichen Lager aus dem Gebiete der Maler- und Kupferstecherkunst und der Lithographie, und vorzüglich auch der neuesten literarischen Erscheinungen, welche sich auf die Kunde der Hauptstadt und des Landes beziehen. Auch findet man in demselben Hause die, ebenfalls dem Herrn Gropius gehörige, bekannte Fabrik der niedlichen Holz- und Papp-Arbeiten, Spielwaaren, und anderer sich besonders zu Weihnachtsgeschenken eignender Gegenstände. Von der Brüderstrasse selbst sehen wir hier nur einige Häuser; sie ist reich an geschichtlicher Erinnerung. Hier stand einst die Domprobstei und der Palast des Grafen Adam von Schwarzenberg, Statthalter des Kurfürsten George Wilhelm. In früheren Zeiten wurde die Brüderstrasse die Dom-Gasse genannt; eine Benennung, welche ihr auch ein Lehnsbrief des Kurfürsten Johann Sigismund giebt.