Spiker's Berlin

Die breite Strasse

Die breite, in früheren Zeiten die grosse Strasse genannt, ist in der Altstadt von Berlin oder, genauer zu reden, in Cöln belegen und verdient den Namen in der That, indem sie um ein Bedeutendes breiter als alle, freilich nicht sehr geräumigen, Strassen jenes Stadttheils ist.

Ausserdem wird sie aber für den Freund der alten Baukunst dadurch merkwürdig und anziehend, dass auf der rechten Seite, da, wo die Strasse mit der Spree parallel läuft, mehrere Gebäude stehen, welche schon im 16ten und 17ten Jahrhundert in der Geschichte der Hauptstadt erwähnt werden. Schon vor dem Kurfürsten Joachim Friedrich, im 15ten Jahrhundert, stand nämlich da, wo man noch itzt die Königl. Stallgebäude sieht, der Kurfürstliche Marstall, der indess, zu Anfange jenes Jahrhunderts, baufällig wurde, was den Kurfürsten veranlasste, das Ganze seinem geheimen Rathe, dem Grafen Schlick v. Passau, zum Geschenk zu machen. Dieser kaufte später noch die Häuser dazu, wo itzt die mit den Nummern 32–34. bezeichneten stehen (die Reitbahn der ehemaligen Ritter-Akademie) und das Nebenhaus, welche aber im Jahre 1604 der Kurfürst ihm wieder abkaufte und sie seiner Gemahlin Eleonore auf Lebenszeit verlieh. Diese Schenkung wurde in der Folge Veranlassung, dass die Kurfürstinnen dieses Grundstück behielten, so dass noch im Jahre 1641 die Herzogin Anna Sophie von Braunschweig, die älteste Tochter Johann Sigismunds und Schwester des Kurfürsten Georg Wilhelm, es unter dem Namen « der Kurfürstin Haus » besass. Nach dieser Zeit blieben die Gebäude unbenutzt, bis, unter dem Könige Friedrich Wilhelm I., dem Stallmeister Franz das Haus No. 34. (das letzte auf der rechten Seite unserer Ansicht) zur Errichtung einer Reit-Akademie eingeräumt wurde. Späterhin wurde das Gebäude der Ritter-Akademie (dem Stamm-Institut für die itzige allgemeine Kriegsschule) überwiesen, im Jahre 1804 aber niedergerissen und, an dieser Stelle, nachdem noch ein Privat-Grundstück hinzugekauft worden, das neue Marstall-Gebäude aufgeführt, dessen Façade (mit dem Thorwege) man zur äussersten Rechten unseres Bildes sieht. Es ist ganz im modernen Stile erbaut, mit Basreliefs, welche sich auf die Bestimmung des Gebäudes beziehen, verziert und nimmt sich neben den vielen stattlichen Häusern, mit welchen die östliche oder Spree-Seite der breiten Strasse besetzt ist, sehr gut aus. (No. 32. u. 34) Die Gebäude, wo itzt der ältere Marstall steht (No. 36 – 37.), verkaufte der obenerwähnte Graf Schlick im Jahre 1606 dem Sohne des Kurfürsten Joachim Friedrich, dem Markgrafen Joachim Georg, so dass sie später dem Kurfürsten wieder anheim fielen. – Im Jahre 1648 verlegte der grosse Kurfürst den Marstall von dem Schlosse nach diesem Hause: als aber derselbe, im Jahre 1665 in Flammen aufging, beschloss der Kurfürst, den ganzen Stall neu aufzubauen. Zu diesem Ende wurde auch das Haus No. 35., welches Hans Georg v. Ribbeck im Jahre 1624 für sich und seine Gemahlin, C. v. Brösigke, erbaute, hinzugekauft, und nun, unter Schmids Leitung, das, noch itzt stehende, alte Marstall-Gebäude aufgeführt, das, mit seinem grossen Frontispiz, in welchem Pferde und Pferdebändiger in halb erhabener Arbeit abgebildet sind, einen bedeutenden Raum einnimmt. Das alte _v. Ribbeck_sche Haus, mit seinen vier, schön verzierten, Giebeln und seiner, mit Bildwerk rund umher geschmückten, Thür, blieb (wahrscheinlich weil der Krieg mit Frankreich, im Jahre 1671, den Bau unterbrach) unverändert stehen, und hat bis itzt zum Local für Königl. Behörden gedient. Die ganze Façade trägt noch itzt das Gepräge einer hohen Alterthümlichkeit und hat von jeher die Aufmerksamkeit der Freunde altdeutscher Baukunst in Berlin auf sich gezogen *). -

Im Hintergrunde des Bildes sieht man die südliche Façade des Schlosses, wie sie der berühmte Schlüter erbaute, und zwar das Portal, welches zu dem ersten Schlosshofe (dem, auf welchem die Schlosswache sich befindet) führt. – Die schöne Säulenstellung und der edle Stil, in welchem dieses Portal, so wie das weiterhin, nach der langen Brücke, stehende, erbaut sind, geben diesem Theile des Schlosses etwas ungemein Prachtvolles, besonders, wenn man sich, von dem Ende der breiten Strasse aus, dem Schlosse nähert, und nun die imposante, gänzlich von Schlüter gebaute, Façade desselben, mit dem grossen Schlossplatze, vor sich sieht. Der Candelaber mit Gas-Laternen, welcher in der Mitte des Platzes steht, und eben so sehr zur Zierde desselben, als zu genügender Erhellung dieser, sehr lebhaften, Gegend dient, ist nach einer Zeichnung des Herrn Geh. Ober-Bau-Raths Schinkel ausgeführt und von gegossenem Eisen.

*) J. A. Repton hat, in seinen Bemerkungen über altdeutsche Baukunst in Preussen, in der Archaeologia oder den Abhandlungen der Londoner Gesellschaft der Alterthumsforscher Bd. 21. Pag. 158. eine sehr artige Abbildung davon gegeben.