Spiker's Berlin

Die lange Brücke

Unter den Strom-Ansichten Berlins ist die des Theiles der Spree, von den Mühlen am Mühlendamm, bis zur sogenannten grossen Friedrichsbrücke, welche man im Hintergrunde unseres Bildes erblickt, eine der interessantesten, indem gerade dieser Theil des Flusses durch seine baulichen Umgebungen, zu beiden Seiten, einen der imposantesten Eindrücke hervorbringt, den man, bei der verhältnissmässig geringen Breite des Stromes, erwarten kann.

Die lange Brücke, im Vorgrunde unseres Bildes, welche die eigentliche Stadt Berlin mit dem Stadttheil Cölln (in welchem das Königliche Schloss belegen ist, dessen östliche Seite wir zur Linken auf unserem Bilde sehen) führt, ihrer gegenwärtigen Gestalt nach, ihren Namen mit Unrecht, indem sie nur 160 Fuss lang ist. Sie ward in den Jahren 1692 – 1695 von dem Kurfürsten Friedrich III. aus Pirnaischen Quadersteinen erbauet, und zwar an der Stelle einer älteren, die der grosse Kurfürst Friedrich Wilhelm im J. 1661 aufführen liess, indem die ursprüngliche Brücke (über deren Existenz seit dem 14. Jahrhunderte Documente vorhanden sind *) gänzlich verfallen war. Den Namen der langen Brücke konnte sie in der früheren Zeit aus dem Grunde mit Recht erhalten, weil die Spree damals, in zwei Armen, bis an die h. Geiststrasse ging, eine Breite, welche, in der Folge, wahrscheinlich durch Eindämmungen, bei Gelegenheit der Erbauung der gegenwärtigen hohen massiven Schälungen, vermindert wurde. – Die itzige lange Brücke erbaute der (wegen seines Antheils am Baue des Zeughauses pag. 4 von uns erwähnte) Baumeister Nehring, wobei der berühmte Schlüter die Angaben zu den, von Weihenmayr ausgeführten, schönen Verzierungen der Brücke machte. – Auch Cayart (dessen wir bei Gelegenheit der neuen Kirche pag. 15 erwähnt) wurde als Wasser-Baumeister zu Rathe gezogen.

Der schönste Schmuck der Brücke ist indess die, auf dem mittleren der fünf Bogen stehende, herrliche Metall-Statue des grossen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm, dem die Preussische Monarchie den ersten Aufschwung zu der Bedeutsamkeit verdankt, deren sie sich in der Folge in immer wachsender Grösse zu erfreuen gehabt hat. Sie wurde im J. 1703 am Geburtstage Fridrichs III. (dem 1. Julius) feierlich eingeweiht, nachdem sie nach Schlüter’s Modelle **) in dem, ebenfalls von ihm erbauten, hinter dem K. Zeughause befindlichen, Giesshause, von Jacobi gegossen worden war. Der Kurfürst ist zu Pferde, im Costum eines römischen Imperators, mit Waffenrock und Mantel dargestellt, den Commandostab in der Hand haltend, und sowohl Reiter als Pferd sind so grossartig in der Ausführung behandelt, dass dies herrliche Kunstwerk mit Recht als eine der Hauptzierden der prachtvollen Königsstadt angesehen werden kann. Auch die Aufstellung, auf einem hohen Piedestal von weissem Marmor, trägt dazu bei, die Statue als höchst imposant erscheinen zu lassen, und das Auge, sobald man die Umgegend der Brücke betritt, unwillkührlich auf sie hinzuleiten. Durch die, vor einigen Jahren, unter Schinkel’s Leitung, vorgenommene Ersetzung des früheren, schwerfälligen steinernen Geländers, durch ein leichtes und geschmackvolles, aus gegossenem Eisen, hat der Anblick der Brücke sehr gewonnen.

Die Gebäude im Vorgrunde zur Linken gehören zu dem Königl. in der breiten Strasse befindlichen Marstall, und der vorderste, hervorstehende, einstöckige Ausbau ist das Ende der zweiten Reitbahn, oder der der ehemal. Ritter-Academie. Weiterhin sieht man den äussersten östlichen, am Wasser gelegenen Flügel des Schlosses (zum Theil aus dem 16. Jahrhundert), mit seinen Thürmchen und Ausbauen, und die Bäume, welche den Raum ausfüllen, der zwischen dem Flusse und dem neueren (ursprünglich von Friedrich II. und gegenwärtig von S. K. H. dem Kronprinzen bewohnten), zunächst dem Wasser liegenden, Theil des Schlosses, frei geblieben ist.

Die im Mittelgrunde durch ihr leichtes Geländer sichtbar werdende Brücke, ist die, an der Stelle der ehemaligen, sogenannten Cavalierbrücke, von einer Actien-Gesellschaft erbaute, und im vorigen Jahre (1832) eröffnete, für Fussgänger bestimmte Brücke, zu welcher man, auf der einen Seite, durch einen, zwischen der Hof-Apotheke und dem Dome eröffneten Zugang gelangt, und die zu der Burgstrasse hinüberführt. Im Hintergrunde sieht man die schöne, auf 7 Bogen ruhende, grosse Friedrichs- oder (nach der Nähe des, noch itzt stehenden, Orangeriehauses) sogenannte Pomeranzen-Brücke ***).

Der Kay zur Rechten, welcher die Burgstrasse bildet, ist einer der grossartigsten Theile der Stadt, und nimmt sich, besonders von der grossen Friedrichsbrücke gesehen, da, wo der Fluss am breitesten ist, ungemein prachtvoll aus. Das Haus im Vorgrunde, dessen Attika mit vier Statuen geziert ist, gehört ebenfalls zu Schlüter’s Schöpfungen, und wurde in den Jahren 1701–1703 für den Premier-Minister Friedrichs I., dem Grafen v. Wartenberg, erbaut. Späterhin erhielt es die K. Post, und es ist gegenwärtig das Eigenthum eines Privatmannes geworden, dessen bekannter Kunstsinn die äussere schöne Façade unangetastet gelassen hat.

*) Sie heisst in diesen Documenten (von 1365) die neue Brücke: der Name lange Brücke kommt erst in dem Vereinigungs-Vertrage beider Städte, Berlin und Cölln, vom J. 1432, vor.

**) Nur die Statue wurde von Schlüter selbst modellirt. Die vier, an den Ecken des Fussgestelles angebrachten, sitzenden Sklaven sind, nach Schl’s. Angaben, von seinen Schülern: Becker, Brückner, Henzi und Nahl dem Vater, geformt, von Schlüter indess eigenhändig ciselirt worden.

***) Sie wurde im J. 1769, unter der Regierung Friedrichs II., von Boumann (an die Stelle der, im J. 1719 erbauten, hölzernen), von Stein aufgeführt, und hat unter den späteren Regierungen (namentlich durch den, von Langhans in den Jahren 1790–1792 veranstalteten, Umbau) bedeutende Verbesserungen erhalten.