Spiker's Berlin

Das Brandenburger Thor

Wenn es unter den öffentlichen Denkmalen Berlin’s mehrere giebt, welche, durch ihren Charakter und ihre AusfĂŒhrung, es darthun, dass sie wĂŒrdig sind, eine Königsstadt zu verschönern, so kann nichts geeigneter seyn, um auf den Anblick derselben, so wie auf den Eintritt in die Residenz Preussens vorzubereiten, als das Brandenburger Thor. Sowohl das Inland, als das Ausland, haben diesem prachtvollen Bauwerk die gebĂŒhrende Gerechtigkeit widerfahren lassen, und bei dieser Anerkennung nicht allein ihre Billigung der AusfĂŒhrung, sondern auch der geistreichen Auffassung der Idee, die PropylĂ€en Athen’s zum Muster des Baues zu machen, ausgesprochen. – Es wird bei dieser Gelegenheit nicht uninteressant seyn, die Veranlassung zu diesem Baue zu erfahren.

Der damalige Kriegsrath (spĂ€terhin Ober-Baurath) Langhans hatte sich, durch die Erbauung des FĂŒrstl. v. Hatzfeldschen Palastes in Breslau, sowohl in der Provinz, als in der Entfernung, einen bedeutenden Ruf erworben, und dieser bestimmte den höchstseel. König Friedrich Wilhelm II. (Vater Sr. Maj. des itztregierenden Königs) den Baumeister nach Berlin kommen zu lassen, um ihm die neue Anordnung und Verzierung des Zuschauer-Raums des grossen K. Opernhauses zu ĂŒbertragen *). Langhans entledigte sich dieses Auftrages zur Zufriedenheit des Königs, der, als der Baumeister sich, mit dem Beifall des Monarchen beehrt, beurlauben wollte, demselben befahl, ihm, Behufs der Erbauung eines neuen Thores, an die Stelle des alten Brandenburger, einen Plan und eine Zeichnung vorzulegen. Langhans’ Wahl fiel auf eines der herrlichsten Vorbilder des klassischen Alterthums, die PropylĂ€en, den Eingang zur Akropolis oder Burg von Athen, deren grandiose VerhĂ€ltnisse den Gedanken, sie zur Grundlage eines Einganges zu der Residenz eines grossen FĂŒrsten zu machen, leicht an die Hand geben konnten. Der König genehmigte sogleich die eingereichte Zeichnung und deren AusfĂŒhrung. Langhans blieb in Berlin, den Bau zu leiten, und seine ThĂ€tigkeit, als Baumeister, hat sich spĂ€ter durch die AusfĂŒhrung vieler öffentlichen und Privatbauten in der Residenz vielfach beurkundet. (Zu den gelungensten der ersteren rechnen wir namentlich das sehr freundliche und bequeme Schauspielhaus in Charlottenburg.)

Der Bau selbst begann im J. 1789 und wurde im J. 1793 vollendet. Die Kosten desselben sollen ĂŒber 500.000 Thaler betragen haben. Das eigentliche Thor besteht aus einem Doppel-Portikus von 12 grossen dorischen gereifelten SĂ€ulen, welche, durch ZwischenwĂ€nde mit einander verbunden, fĂŒnf grosse DurchgĂ€nge bilden, von denen der mittlere, fĂŒr die Equipagen des Hofes zur Durchfahrt bestimmte, 18 Fuss Breite hat, die ĂŒbrigen aber 12 F. 1 Z. breit sind. Das ganze Thor ist 195 F. 9 Zoll breit und, bis zur Spitze der Victoria, 80 F. hoch. Auf dem dorischen, mit Triglyphen und Metopen (mit Sculpturen von Schadow und Eckstein) versehenen, GebĂ€lk erhebt sich eine hohe Attika, welche ĂŒber dem mittleren Durchgange, in eben der Breite, wie dieser, bis in die Front-Linie vorspringt, und mit einem Basrelief (nach Rode’s Zeichnung von Unger und Boy ausgefĂŒhrt), von 26 Fuss LĂ€nge und 8 Fuss Höhe, verziert ist, zu beiden Seiten aber zurĂŒck tritt und hier Treppenstufen hat, die zur Höhe verjĂŒngt hinaufgehen und oben zusammentreffen. Auf jenem Vorsprunge steht nun eine Quadriga, oder vierspĂ€nniger antiker Wagen, in welchem die Siegesgöttin, mit dem Vexillum, und dem eisernen Kreuze in dem Lorbeerkranze unter dem Adler, in der Hand, steht. Die vier vor dem Wagen befindlichen Pferde (von 12 Fuss Höhe), die Victoria selbst und der Wagen, sind, nach Schadow’s Modellen, von den Gebr. Wohler in Potsdam in Holzmodellirt und sodann von dem Kupferschmidt Jury, daselbst, in Kupfer getrieben worden. Die Höhe der ganzen Gruppe betrĂ€gt 16 Fuss. Diese schöne Verzierung des Thores wurde im J. 1806. die Beute der Eroberer, welche gegen die KunstschĂ€tze in Preussen mit eben so wenig RĂŒcksicht auf das Eigenthumsrecht verfuhren, wie in andern LĂ€ndern. Napoleon’s Vorsatz, sie auf dem Triumphbogen des Carousselplatzes, zwischen dem Louvre und den Tuilerien, in Paris aufzustellen (wo sie, da dies Bauwerk bei weitem kleinere VerhĂ€ltnisse hat, als das Brandenburger Thor, durchaus nicht an ihrem Platze gewesen wĂ€ren), kam nie zur AusfĂŒhrung, und die Siege von 1813 und 1814 brachten das geraubte Gut, mit Hunderten von KrĂ€nzen und Inschriften, mit welchen die Bewohner der befreiten Provinzen auf dem Festzuge durch Deutschland es geschmĂŒckt hatten, als TrophĂ€e in die Hauptstadt zurĂŒck, wo die Victoria, als neuen Schmuck, das eiserne Kreuz in ihr Siegeszeichen aufnahm. – Auch das Innere der DurchgĂ€nge des Thores ist nicht ohne Verzierung. Die Decken sind mit gemalten TrophĂ€en, nach Rode’s Zeichnungen, und die SeitenwĂ€nde mit runden und lĂ€nglichen Basreliefs, die Thaten des Herkules darstellend, von mehreren Berliner und Potsdamer Bildhauern, geschmĂŒckt.

Die zwei mit SĂ€ulen verzierten VorsprĂŒnge, deren Architektur mit der des Thores selbst ĂŒbereinstimmt, und die, gegen den Platz hin, Frontons haben, sind zu dienstlichen Localen bestimmt: der eine, zur Rechten auf dem Bilde, zur Wohnung fĂŒr die Beamten, welche mit der Erhebung der Thor-Accise beauftragt sind, und der linke fĂŒr die Wache. Der Baum, zur Linken im Vorgrunde, bezeichnet das Ende des schönen Spatzierganges der Linden, welcher durch SteinpfĂ€hle, mit Eisenstangen dazwischen, von der eigentlichen Strasse gesondert ist. Die BĂ€ume im Hintergrunde gehören zu dem sogenannten Thiergarten, einem Walde, der sich, zwar nur in geringer Breite, aber in desto bedeutenderer LĂ€nge, von der Hauptstadt bis zu dem nahen Lustschlosse Charlottenburg hinzieht. Die Hauptallee, welche, in der Breite des Thores, durch den Park fĂŒhrt, geht in gerader Linie beinahe bis nach Charlottenburg, und bildet erst in einer geringen Entfernung von diesem Orte einen Winkel, so dass man, von dem Thore aus, einer freien Aussicht auf eine, ungefĂ€hr drei Viertelstunden lange, schnurgerade, vortrefflich geebnete und zu beiden Seiten mit dem ĂŒppigsten Laubholze besetzte Landstrasse geniesst, die, in der schönen Jahreszeit, durch den bestĂ€ndigen Verkehr zwischen Berlin und Charlottenburg, auf das mannigfachste belebt ist.

*) Sie besteht noch itzt und ist erst vor kurzer Zeit, ganz nach Langhans’ Plan und ohne alle AbĂ€nderung, wieder erneuert worden.