Spiker's Berlin

Die neue deutsche Kirche

Der Standpunkt, von welchem diese Ansicht aufgenommen worden, am Ende der grossen zu dem Schauspielhause hinauffĂŒhrenden Freitreppe und unter dem Portikus, welcher unmittelbar zu dem Parterre fĂŒhrt, ist unstreitig einer der vortheilhaftesten, aus welchem man die sogenannte neue deutsche Kirche betrachten kann. Man ĂŒbersicht nĂ€mlich von hier einen grossen Theil des Gendarmen-Markts *), des grössten öffentlichen Platzes in Berlin, auf welchem, bei einer LĂ€nge von 1020 rheinl. Fuss, und einer Breite von 348 F., nicht weniger als zwei Kirchen und das, zwischen ihnen stehende, Schauspielhaus Platz haben, wĂ€hrend, auf allen vier Seiten, breite Strassen hinlaufen, und, zwischen den GebĂ€uden hindurch, noch ein bedeutender Raum fĂŒr die Bewegung der Wagen und FussgĂ€nger ĂŒbrig bleibt. Auch die baulichen Umgebungen des Platzes, den Friedrich der Grosse in den Jahren 1775–1785 durch die Erbauung von 13 PrivathĂ€usern, welche er nach Unger’s und Gontard’s Zeichnungen auf seine Kosten auffĂŒhren liess, verschönerte, tragen dazu bei, ihn zu einem der grossartigsten in der prachtvollen Hauptstadt zu machen.

Die beiden obenerwĂ€hnten Kirchen, die deutsche und französische, stammen aus der Zeit Friedrichs I. Die letztere wurde im J. 1705 von L. Cayart, einem Ingenieur und SchĂŒler Vauban’s, erbaut, der im J. 1692 in Preussische Dienste trat, und, ausser mehreren bedeutenden Festungsbauten, diese Kirche und zwar, auf ausdrĂŒckliches Verlangen der Gemeine, nach dem Plan der Kirche von Charenton, bei Paris, die im J. 1685, in Folge der ZurĂŒcknahme des Edikts von Nantes, niedergerissen worden war, auffĂŒhrte. Die deutsche neue Kirche wurde in den Jahren 1701–1708 von Simonetti, nach GrĂŒnberg’s Rissen, gebaut, und zeichnet sich durch ihr kĂŒnstliches Dach aus, dessen Construction, da die Kirche selbst ein FĂŒnfeck bildet, einige Schwierigkeiten verursachte. – An beiden Kirchen liess Friedrich der Grosse in den Jahren 1780–1785 zwei prachtvolle ThurmgebĂ€ude auffĂŒhren, zu denen die Haupt-Idee von den beiden Kirchen auf der Piazza del popolo in Rom entlehnt seyn soll; eine Ansicht, deren geringe Wahrscheinlichkeit, bei einer nur oberflĂ€chlichen Vergleichung beider GebĂ€ude, bald in die Augen springt. So wie die ThĂŒrme gegenwĂ€rtig dastehen, haben sie, bei ihrer bedeutenden Höhe (von 225 Fuss), ein ungemein imposantes Ansehen, und wĂŒrden zu den vollendetsten Bauten von Berlin zu zĂ€hlen seyn, wenn sie frei dastĂ€nden. So wie sie itzt sich an die beiden Kirchen anlehnen, erhĂ€lt der ganze Bau, welcher ein gleichseitiges, mit breiten Freitreppen, Peristylen und Frontons verziertes, Viereck bildet, das Aussehen eines unvollendeten Werks, etwas, das selbst auf unserer Ansicht, durch die zur Rechten sichtbare Dachlinie, bemerklich wird. – Die Peristyle haben jedes 6 korinthische SĂ€ulen: die Akroterien der Giebelfelder, oder Frontons, sind mit BildsĂ€ulen besetzt, und die Felder selbst mit Basreliefs, Abschnitte aus der h. Schrift darstellend, geschmĂŒckt, von denen die an der französischen Kirche von dem, als geschickten Zeichner und geistreichen Kupferstecher bekannten, Dan. Chodowiecki, angegeben, die an der deutschen von B. Rode erfunden, und von den Bildhauern Sartori und Föhr ausgefĂŒhrt worden sind. Aus der Mitte des Baues erhebt sich, auf einer viereckten Basis, ein Dom von 56 Fuss im Durchmesser, mit einer Umgebung von 12 freistehenden korinthischen SĂ€ulen, auf denen ein BrustgelĂ€nder, mit Vasen verziert, ruht. Innerhalb dieses letztern steigt die eigentliche Kuppel, aus Holz, mit Kupfer gedeckt, grĂŒn angestrichen und mit vergoldeten Rosetten verziert, empor, und auf ihrer Spitze steht eine kolossale, aus Kupfer getriebene und vergoldete, 15 Fuss hohe Figur **).

Friedrich d. Grosse hatte im Allgemeinen den Plan zu beiden ThĂŒrmen angegeben und dem Major und Baumeister C. v. Gontard ***) die Leitung und AusfĂŒhrung des Baues ĂŒbertragen. Der deutsche Thurm war bereits bis an den Architrav der SĂ€ulen, welche den Dom umgeben, vollendet, als der ganze obere Theil des Baues in der Nacht vom 28. zum 29. Juli 1781 zusammenstĂŒrzte. GlĂŒcklicherweise geschah dies zu einer Zeit, wo weder die Bauleute beschĂ€ftigt, noch die Strassen in der Umgegend belebt waren: hĂ€tte sich indess der Unfall am Tage ereignet, so wĂŒrden die Folgen desselben nicht zu berechnen gewesen seyn. Ein Ergebniss dieser Störung war das, dass die Vollendung des Baues dem damaligen Bau-Inspektor (spĂ€ter Ober-Baurath) Unger ĂŒbertragen wurde, der unverzĂŒglich den Grund verstĂ€rken liess, um dem Ganzen die gehörige Festigkeit zu geben. Beide ThĂŒrme standen im J. 1785 fertig da, und ihre Erbauung soll die, verhĂ€ltnissmĂ€ssig geringe, Summe von 350.000 Thalern gekostet haben.

*) Er fĂŒhrt seinen Namen von den StĂ€llen fĂŒr das, damals bestehende, nach dem Feldzuge von 1806 aufgelöste Regiment Gendarmen, welche Friedrich Wilhelm im J. 1736, um die beiden, auf dem Platze stehenden Kirchen, die französische und die neue deutsche Kirche, erbauen liess. Friedrich der Grosse liess die StĂ€lle, bei den Verschönerungen dieses Theils der Friedrichsstadt, im J. 1773 abbrechen.

**) Die auf der Kuppel der französischen Kirche stehende, stellt die Religion, die andere die Tugend dar. Beide wurden nach Kambly’s Modellen von Köhler in Potsdam angefertigt.

***) Er war im J. 1738 in Mannheim geboren und trat schon frĂŒh in Preussische Dienste.