Spiker's Berlin

Das Königl. Kammergericht

Das stattliche Gebäude zur Rechten der Ansicht, welches die Ecke der Linden- und der sogenannten Husaren-Strasse bildet, ist der Sitz des Tribunals, von welchem die höchsten und entscheidenden Aussprüche in den K. Preussischen Landen ausgehen, des K. Kammergerichts. Die Stiftung dieses Gerichtshofes hat man dem Kurfürsten Joachim I. zu danken, welcher im J. 1516 oder 1517 denselben einsetzte, mit dem ausdrücklichem Vorbehalt, dass in diesem ausschliesslich nach dem römischen (damals auf der Universität Frankfurt gelehrten) Rechte gesprochen werden sollte, während früher fast immer nach Gewohnheitsrechten, dem Sachsenspiegel, Richtsteig u. s. w., kurz nach dem deutschen Rechte, in den Brandenburgischen Tribunalen geurtheilt worden war. – Die allmählige Entwickelung und Vervollkommnung dieses höchsten Preussischen Gerichtshofes zu verfolgen, kann nicht der Zweck dieser Erläuterung seyn; nur wollen wir hier soviel bemerken, dass er namentlich im J. 1748 bei der, durch den verdienten Grosskanzler, Frhrn. v. Cocceji, eingeführten Justizverbesserung, so wie im J. 1782, unter dem Grosskanzler v. Carmer, die bedeutendsten Verbesserungen erfuhr. – Von dem hohen Ansehen, in welchem diese Gerichtsstelle, der Unpartheilichkeit und Rücksichtslosigkeit ihrer Aussprüche wegen, von jeher stand, giebt die bekannte Anekdote des Potsdamer Müllers, gegen das willkürliche Verfahren Friedrichs II., den besten Beweis.

Das gegenwärtig dem Kammergericht zum Local dienende Gebäude wurde unter der Regierung Friedrich Wilhelm I. im J. 1734 nach Gerlach’s (desselben, welcher die Waisenhauskirche vollendete, s. unten) Risse aufgeführt *), ist zwei Stockwerke hoch und hat eine imposante Façade, die sich, der schrägen Lage der Lindenstrasse wegen, als Hintergrund, von dem Ende der, darauf zuführenden, Markgrafenstrasse aus gesehen, sehr stattlich ausnimmt. Das Untergeschoss ist ein sogenanntes Rustico, und das Gesims, welches das obere Geschoss krönt, wird an den Ecken und in der Mitte, wo der gebrochene Giebel mit den allegorischen Statuen der Gerechtigkeit u.s.w. verziert ist, von Consolen getragen. Im unteren Stockwerke befindet sich zur Linken der Versammlungs-Saal des Plenums, in welchem Cocceji’s und seines würdigen Nachfolgers v. Kircheisen Marmorbüsten (die letztere von Rauch) und das lebensgrosse Bild des verst. Kammergerichts-Präsidenten v. Woldermann (von Kretschmar gemalt) aufgestellt sind.

Die Kirche im Hintergrunde ist die Jerusalems-Kirche; die südlichste der Stadt. Sie wurde in den J. 1726 – 1728 unter der Regierung Friedrich Wilhelm I. ebenfalls von Gerlach gebaut und bildet ein Andreaskreuz. Ihre äussere Gestaltist sehr einfach und schmucklos, und die vier Haupt-Eingänge sind ohne allen Vorbau. Der hohe Thurm der Kirche, welcher im J. 1731 aufgesetzt worden war, musste im J. 1747, da das Holzwerk verfault war, abgetragen werden, so dass die Kirche itzt, auf dem massiven Theile des Thurmes, nur eine gewöhnliche viereckte Bedachung, der des Thurmes der Waisenhauskirche ähnlich, hat. Der Name dieser Kirche rührt von einer Stiftung eines Berliner Bürgers, Namens Müller, her, der, zum Andenken an seine Wallfahrt nach Jerusalem, der Jungfrau Maria, so wie dem h. Kreuz und den Heiligen Fabian und Sebastian zu Ehren, an dieser Stelle (damals ausserhalb der Stadt) eine Kapelle erbauen liess. Wann dies geschehen sey, scheint sich nicht wohl ermitteln zu lassen: soviel ist indess gewiss, dass die Kapelle bereits in einer Urkunde des J. 1484 vorkommt, worin 5 Bischöfe für den Besuch derselben den Ablass ertheilen. Im J. 1679 liess der kurf. Rath v. Nostiz die Kapelle, zu welcher er auch ein Hospital stiftete, ausbauen, und sie blieb längere Zeit für die Bewohner der Friedrichsstadt das Local ihrer gottesdienstlichen Versammlungen. Die zunehmende Stärke der Gemeine, welche bereits wiederholte Erweiterungen der Kapelle nothwendig gemacht hatte **), veranlasste endlich den oben erwähnten Bau der Jerusalems–Kirche durch den Ober-Baudirektor Gerlach.

Die Lindenstrasse, in welcher das Kammergericht liegt, und deren nördliches Ende man im Hintergrunde unseres Bildes sieht, führt ihren Namen von den unter der Regierung Friedrichs I. daselbst in zwei Alleen angepflanzten Linden, eine Verschöne rung und Belebung der Strassen, welche man damals, der überhaupt bei den Bauten in Berlin und Potsdam in jener Zeit vorherrschenden Nachahmung des holländischen Geschmacks gemäss, eingeführt hatte, und der man auch wahrscheinlich den schönsten Spaziergang Berlins, die Linden, zu danken hat. Leider ist bei den zunehmenden Verschönerungen dieses Theiles der Friedrichsstadt der grössere Theil dieser Bäume verschwunden, wie wir denn überhaupt, in den letzten Jahrzehenden, die Residenz, durch die Entstehung einer Menge von Prachtgebäuden, zwar immer imposanter, aber, durch allmäliges, gleichzeitiges Verschwinden aller Bäume und Alleen, nicht freundlicher haben werden sehen.

*) Es hiess damals das Collegienhaus, wahrscheinlich als das Local für die bedeutendsten Landes Collegien.

**) z. B. im J. 1689 unter der Regierung des grossen Kurfürsten, wo der Hof-Mauermeister Simonetti (im J. 1652 in Roveredo geboren) sie vergrössern musste.